Dit artikel over het kunstzinnig proces heb ik destijds na beëindiging van mijn studie euritmie
(bewegingskunst die uitgevoerd wordt op taal of muziek) geschreven met blik op de toen
heersende polariserende opvattingen en werkwijzen in de euritmie. Het gaat mij daarom het
midden te vinden tussen enerzijds kunst, die geschapen wordt op grond van vaste vormen en
regels, wat we bv. van de vaste canons voor sacrale kunst in Indonesië kennen, en anderzijds
de vrije expressie, die we in de kunstgeschiedenis bv. tegenkomen in de Cobra beweging –
denk aan Karel Appel.
Eurythmie: Zerreißprobe oder Aufforderung zum Bewusstseinswandel?
Ein subjektives Bekenntnis zum Objektiven oder auch umgekehrt
Es mehren sich die Stimmen, die von Eurythmie in der Krise sprechen, von Polarisierung,
Zersplitterung und Auflösung ihrer Identität, das heißt die Frage, was Eurythmie sei und was
nicht, droht zu verhärteten Fronten zu führen.
Im Rückblick auf das Eurythmie-Festival am Goetheanum vom 5.-11.8.2001 beschreibt
Stefan Weisshaupt (Goetheanum Nr. 36, 2.9.2001) wie beim Festival drei verschiedene Arten
zu erleben waren, mit den eurythmischen Kunstmittel umzugehen:
- als Bewegungs-Interpretation eines gegebenen Wort – oder Tonstückes
- als experimenteller Dialog mit einer solchen Vorlage
- als freies Gestalten in eigener Regie ohne Vorlage.
Im Gegensatz zur ersten traditionell eingewöhnten Form erheben die zweite und dritte den
Anspruch, etwas Neues zu sein.
Im Gespräch mit Ernst Reepmaker (ebenfalls G. Nr. 36) erscheint der Gegensatz zwischen
Traditionellem und Neuem als der zwischen Objektivem und Subjektivem, zwischen dem
„Wahrheitsaspekt des Darstellerischen“ und einem ganz neuen „Quellbereich der
schöpferischen Möglichkeiten“, der im einzelnen Künstler selber liegt. Dass die beide Pole
des „Interpretierens“ und „Improvisierens“, zumindest als Möglichkeiten des Arbeitseinstiegs
einander praktische entgegengesetzt sind, ist ohne Zweifel. Sie fragen vom Künstler ganz
verschiedene Haltungen. Beim ersteren ist bescheidenen Zurückhaltung gefragt, der Künstler
stellt die eigenen Kräfte in den Dienst der Sache. Beim zweiten kann er viel mehr, wie der
heutige Modeausdruck sagt, „voll sich selbst einbringen“. Es erscheint mir als durchaus
realistische Einschätzung, dass dieser Gegensatz die Eurythmie zerreißen könnte. Wenn man
aber erlebend in den Widerspruch „hineinsteigt“, erscheint gerade durch ihn selbst und in
beiden Polen anders die Aufforderung zu seiner Überwindung. Das hat sich mir im Laufe
jahrelangen Übens mit der Eurythmie ergeben als zunächst gar nicht gesuchte,
überraschende, sowohl begeisternde als irritierende Erfahrung.
Als Studentin an der Academie voor Euritmie in Den Haag wiederholte sich für mich jedes
Trimester ein eindrucksvoller Prozess: zunächst zu Beginn des Trimesters das Improvisieren
als unbeschwertes, frei genießendes Kennenlernen der neuen Stücke, dann das Eingehen
auf einzelne Teile und Elemente und schließlich das Erlernen der exakten Formen und
Gebärden eines Gedichtes oder einer Komposition. Nach der Aufführung am Ende des
Trimesters erlebte ich das Improvisieren am Beginn des neuen immer wieder wie den Sprung
in ein volles Bad: herrlich lösend, nährend und wärmend – ein begeisterndes Geschenk. Dann
aber begann die Atmosphäre merkbar abzukühlen und wenn es schließlich ans Erlernen der
Töne ging, war ein gewisses Zähneknirschen nicht zu überhören.
Manchmal dauerte das Improvisieren ein bisschen zu lang. Dann waren überraschende
Entdeckungen zu machen. Die inspirierenden neuen Klänge von Sprache oder Musik wurden
auf einmal fade und langweilig. Der eigene Bewegungswille erlahmte und verlor sich wie in
ein grenzenloses Unbestimmtes. Ermüdung und Überdruss stellten sich ein, gepaart mit der
stets aufdringlicher werdenden Wahrnehmung der eigenen Bewegungsbeschränkungen und
fest sitzenden Bewegungsgewohnheiten (und natürlich auch die der anderen!), mit Tendenz
zur Wiederholung des ewig Gleichen. Der erst alle gemeinsam tragende Strom ist wie
ausgetrocknet, jeder auf sich selbst zurückgeworfen. An diesem Punkt meldet sich ein Gefühl
geärgerter Ungläubigkeit, ein Empfinden zum Narren gehalten zu werden, welches der Anlass
sein kann, sich nur noch intensiver ins Improvisieren zu stürzen, um den anfänglichen Effekt
eines rauschhaften Glücksgefühls noch wieder einzuholen.